Enger persönlicher Kontakt lindert Ängste
OP-Begleitung vermindert Delir-Gefahr im Klinikalltag
„Wir müssen uns darauf einstellen, dass auf unseren Stationen immer mehr hochbetagte Patientinnen und Patienten versorgt werden müssen“, stellt Beate Schlüter, Pflegedirektorin der Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne | Castrop-Rauxel, anlässlich des Welt-Delir-Tags 2024 fest. Das EvK Herne beschäftigt mit Meinolf Vöge bereits seit 2016 eine speziell ausgebildete Fachkraft, die durch eine gezielte Begleitung versucht, gefährdete Menschen vor einem Delir zu bewahren. Rund 60 Patientinnen und Patienten pro Monat benötigen seine Begleitung.
Bei einem Delir handelt es sich um ein Krankheitsbild, das sich während eines stationären Krankenhausaufenthalts durch Verwirrung, Teilnahmslosigkeit, Unruhe oder auch aggressive Zustände äußern kann. Ursache können eine Narkose, eine Operation und grundsätzlich ein Klinikaufenthalt sein. Besonders gefährdet sind ältere Patientinnen und Patienten oder kognitiv beeinträchtigte Menschen. Ein Delir ist ein Krankheitsbild, das schwere oder auch langfristige Auswirkungen haben kann, von einer Verlängerung des Krankenhausaufenthalts über ein erhöhtes Demenzrisiko bis hin zu einer Verkürzung der Lebensdauer.
Wichtigste Vorbeugungsmaßnahme ist die persönliche Ansprache. Hier setzt die Tätigkeit von Meinolf Vöge ein. Täglich steht er im Austausch mit den diensthabenden Chirurg*innen des EvK, die ihm mitteilen, welche Patientin oder welcher Patient delir-gefährdet ist. „Bereits im Vorfeld der Operation bin ich beim Anästhesievorgespräch dabei, damit die betreffende Person mich kennenlernen und erstes Vertrauen fassen kann“, berichtet Meinolf Vöge. Am Tag der Operation weicht er dann nicht von der Seite der Betroffenen. „Ich spreche mit den Menschen, halte ihre Hand, damit sie spüren, dass sie nicht allein sind“, schildert er. Er ist auch die erste Person, die die Operierten erblicken, wenn sie aus der Narkose erwachen. „Es geht darum, dass die Menschen in ein vertrautes Gesicht schauen, damit sie sofort wieder einen Orientierungspunkt haben“, erklärt die Delir-Kraft. Denn es ist die Orientierung, die den Gefährdeten verlorengeht. Und dann erfasst sie Panik.
Für die betroffenen Menschen ist die spürbare Nähe, die persönliche Ansprache der entscheidende Faktor. „Wie gut, Ihr Gesicht zu sehen“, hört Meinolf Vöge immer wieder. Für Menschen, die bereits vor der stationären Aufnahme kognitiv beeinträchtigt waren, ist die Delir-Kraft unverzichtbar, da hier die Gefühlsebene, die menschliche Berührung, das Halten der Hand all den Ängsten entgegenwirken, die der kognitiv beeinträchtigte Mensch nicht mehr in Worte fassen kann.
Meinolf Vöge gibt den Menschen Halt, nicht nur weil er ihre Hand hält, wenn sie Angst haben. Geduldig erklärt er seinen Schützlingen, was mit ihnen auf der Intensivstation passiert, welche Geräte um sie herum sind, warum ihnen Zugänge gelegt wurden und warum sie nicht wie gewohnt auf der Seite schlafen können. „So können wir verhindern, dass sich die Patientinnen und Patienten aus ihrer Verwirrtheit heraus, Zugänge ziehen, sich den Tropf abreißen und dadurch der Genesungsprozess gefährdet wird“, erläutert Beate Schlüter. Deshalb sei die Tätigkeit der Delir-Kraft auch ein wichtiger Beitrag zur Patientensicherheit.