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"Feierabend war erst, wenn die Arbeit erledigt war"

Erstes Pflegeexamen nach dem 2. Weltkrieg: Hernerinnen erinnern sich 60 Jahre zurück

Herne, 15. März 2024

17. März 1964 – ein Tag, an den Ulrike Küppers sich auch 60 Jahre später noch erinnert, als wäre es erst gestern gewesen: Es war die letzte Hürde auf ihrem Weg zur examinierten Krankenschwester. Der Tag ihrer mündlichen Prüfung. Ulrike Küppers zählte damals zu jenem Jahrgang, mit dem nach dem 2. Weltkrieg der Betrieb an der Krankenpflegeschule in Herne, der heutigen Zentralen Pflegefachschule der Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne | Castrop-Rauxel, wieder aufgenommen wurde.

Zusammen mit Christa Erbeck, Ruth Bräuer (geb. von Höne) und einer inzwischen verstorbenen Mitschülerin begann sie hier am 1. April 1962 ihre Ausbildung zur Krankenschwester. Ulrike Rumpenhorst, wie die Hernerin damals noch hieß, sogar mit einer Sondergenehmigung. Pflegeschülerinnen mussten seinerzeit eigentlich mindestens volljährig sein. „Ich war aber noch 17 Jahre, hatte erst im Juli Geburtstag“, erzählt die heute 79-Jährige, die inzwischen im Emsland lebt. Weil sie zuvor schon drei Jahre lang die Pflegevorschule in Herne besucht und damit bereits Kenntnisse in der Pflege hatte, durfte sie trotz ihres jungen Alters mit der Ausbildung beginnen.

Die heutige Pflegeschule mit ihren großzügigen Räumlichkeiten und der modernen Ausstattung gab es damals noch nicht. Stattdessen wurden die vier jungen Frauen von Schulschwester Diakonisse Hertha Diering im Schwesternwohnheim unterrichtet. Im Keller, an der Tischtennisplatte. „Drücken gab es nicht“, schmunzelt Ulrike Küppers und meint damit nicht nur den Unterricht in der kleinen Klasse. „Es galten noch die Statuten, die vor dem Krieg festgelegt waren. Will heißen: Wir legten das Examen nach zwei Jahren ab und mussten im 3. Ausbildungsjahr alle anfallenden Arbeiten aus dem Stand heraus beherrschen, von der einfachen Pflegearbeit bis hin zu Chef-Visite“, erinnert sich Ulrike Küppers. 48,5 Stunden pro Woche waren die angehenden Krankenschwestern damals im Dienst. Mindestens. „Feierabend war erst, wenn die Arbeit erledigt war. Wenn im OP noch Tupfer gedreht werden mussten, dann wurden eben noch Tupfer gedreht“, sagt Ulrike Küppers. Unvergessen sind auch die 24-stündigen Sitzwachen. Eine Monitorüberwachung, wie sie heute längst Standard ist, gab es damals noch nicht. Stattdessen mussten die Pflegeschülerinnen am Bett von schwerstkranken, überwachungsbedürftigen Patienten sitzen, um bei einer Verschlechterung des Zustands sofort Hilfe holen zu können.

Erst nach Beendigung des 3. Ausbildungsjahres bekamen die Pflegeschülerinnen die Papiere, die sie als examinierte Krankenschwestern auszeichneten. Regierungspräsident Dr. Liebermann kam nach Herne, um den Frauen zu gratulieren. Inzwischen waren es fünf, denn gegen Ende des zweiten Ausbildungsjahrgangs kam noch eine Schülerin aus einer anderen Krankenpflegeschule nach Herne, um hier das Examen abzulegen. Mit den Papieren erhielten die Krankenschwestern dann auch endlich die große, gefältelte Haube der Krankenschwester, die das kleine, weiße, steif gestärkte Kästchen der Schülerin ersetzte. „Wir waren unglaublich stolz, als die vier Falten aus Bethel auf die frisch ondulierten Haare kamen“, erinnert sich Ulrike Küppers.

Inzwischen gehören nicht nur die Hauben längst der Vergangenheit an. Auch die Pflegetätigkeit ist mittlerweile eine ganz andere. Eines aber ist all die Jahre geblieben: die Pflegeausbildung am Evangelischen Krankenhaus. Kümmerten sich damals Diakonissen um eine intensive Betreuung der Pflegeschülerinnen, stehen den angehenden Pflegefachfrauen und -männern in der Ev. Krankenhausgemeinschaft heute freigestellte Ausbildungsbetreuer und Praxisanleiter zur Seite. Sie begleiten die Auszubildenden auf ihrem Weg zum Examen, auf das die Pflegefachkräfte nach ihrer dreijährigen Ausbildung heute nicht weniger stolz sind als damals. Auch ohne Haube.

Wer sich für die Ausbildung in der Pflege interessiert: Die nächsten Ausbildungskurse an der Zentralen Pflegefachschule Herne | Castrop-Rauxel beginnen im September und Oktober 2024. Weitere Informationen finden Interessierte unter www.pflegefachschule-herne.de.